Schön und schwer (Eltern sein)

Ich hab zwar selber keine Kinder
doch ich bin mal eins gewesen
und wenn ich die Augen schließ
kann ich in meiner Kindheit lesen

Dann seh´ ich Szenen und Bilder
manche sanft, andere wilder
die meisten bunt, andere blass
einige traurig, viele voll Spaß

Ich weiß noch, ich war gerne draußen
da gab es so viel zu entdecken
wir fuhren Rad und bauten Dämme
spielten Fangen und Verstecken

kletterten auf Bäume und
liefen durch das Erbsenfeld
bis der Bauer uns vertrieb
ich liebte meine kleine Welt

Freute mich immer auf den Abend
wenn Papa dann nach Hause kam
und er, obwohl er müde war
sich Zeit für seine Kinder nahm

Kindergarten war nicht so meins
doch Schule hat mir Spaß gemacht
meinen Lehrer fand ich super
der hat uns echt viel beigebracht

Ich war an vielem interessiert
und außer in Mathe auch recht talentiert
Die Jahre vergingen und eher spät
kam ich dann in die Pubertät

anfangs hat´s keine Probleme gegeben
doch dann begannen die Schwierigkeiten
zum ersten Mal in meinem Leben
durchwanderte ich schlimme Zeiten

und stürzte innerlich ab
doch das wollte niemand sehen
bin immer mehr verzweifelt
konnt mich selber nicht verstehen

mein Leben war Chaos
lief nicht mehr rund
alles war kompliziert
und ich nicht mehr gesund

ich sehnte mich nach früher
als ich mir um nichts Sorgen machte
denn Mama und Papa hatten mich auch lieber
wenn ich nicht weinte sondern lachte

Ich glaub, Eltern sein heißt viel aushalten lernen
und sich nicht von Kindern zu entfernen
sondern in ihre Welt einzutauchen
wenn sie mal wirklich Hilfe brauchen

Ich glaub, Eltern sein heißt allgemein
für alles, was kommen mag, offen zu sein
und dass man Unangenehmes nicht von sich schiebt
weil´s immer irgendwo Lösungen gibt

Ich glaub, Eltern sein ist schön und schwer
man pendelt immer hin und her
versucht sein Bestes bis man checkt:
Niemand macht diesen „Job“ perfekt

Ich hab zwar selber keine Kinder
doch wenn ich in der Klasse steh
fühl ich mich oft wie eine Mutter
sobald ich meine Schüler seh´

Mal gelangweilt, mal hellwach
mal müde, mal erwartungsvoll
und wenn ich sie begeistern kann
find ich das immer wieder toll

Wenn sie Nähe suchen an schlechten Tagen
mir soooolche Löcher in den Bauch fragen
wenn sie etwas wirklich Kluges sagen
oder mir stolz ein Gedicht vortragen

Wenn ich spür, dass sie eine Beziehung aufbauen
weil sie merken, sie können mir vertrauen
wenn ich sehe, ich brauch sie gar nicht zwingen
sobald wir uns alle Respekt entgegenbringen

Ich klär mit ihnen Regeln und Werte
und zeige ihnen auch Grenzen auf
appelliere an ihren Verstand
und lass´ ihrer Fantasie freien Lauf

Das Miteinander funktioniert
wenn wir wissen, woran wir sind
und dass wir alle Verantwortung tragen
egal ob erwachsen oder Kind

Manchmal läuft alles wie geschmiert und
manchmal schmeiß´ auch ich die Nerven
dann zieh ich mich kurz mal zurück
statt mit Worten um mich zu werfen

Gespräche brauchen einen Rahmen
und vor allem Ehrlichkeit
denn nennt man Dinge nicht beim Namen
erzeugt das für alle bloß Unsicherheit

Ich glaub, Eltern sein heißt sich selbst gut zu kennen
und nicht vor Problemen davonzurennen
sondern gemeinsam nach Wegen suchen
um gute Erfolge zu verbuchen

Ich glaub, Eltern sein heißt ein Vorbild sein wollen
und zugleich mit dem Kind am Spielplatz rumtollen
vor allem heißt es jedoch, zu verstehen
dass Kinder die Welt ganz anders sehen

Ich glaub, Eltern sein ist schön und schwer
man pendelt immer hin und her
versucht sein Bestes bis man checkt:
Niemand macht diesen „Job“ perfekt

Und so wahr ich hier steh, sag ich:
Das ist okay.

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